Tanz und WahnSinn / Dance and ChoreoMania

 

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I. Enthusiasmus und Ekstase: Historische, kritische und theoretische Perspektiven zur Geschichte des Wahns im Tanz // Enthusiasm and Ecstasy: Historical, Critical and Theoretical Perceptions on the History of Mania in Dance

Gregor Rohmann
Vom „Enthusiasmus“ zur „Tanzwut“: Die Rezeption der platonischen „Mania“ in der mittelalterlichen Medizin

[german]

Vom „Enthusiasmus“ zur „Tanzwut“: Die Rezeption der platonischen „Mania“ in der mittelalterlichen Medizin


1374 traten in Aachen, Köln, Lüttich und anderen Städten Männer und Frauen auf, die gemeinsam auf den Straßen und in den Kirchen tanzten. Ähnliche Vorkommnisse sind bis zum 17. Jahrhundert an Rhein, Maas, Mosel und Neckar häufiger überliefert. Sie werden in der Forschung unter dem Rubrum „Tanzwut“ bzw. „Veitstanz“ zusammengefasst. Unter den Gelehrten kam es immer wieder zu Diskussionen über die Hintergründe dieses auffälligen Verhaltens. Während die Theologen darin einen Ausdruck dämonischer Besessenheit sehen wollten, deuteten die Ärzte das Geschehen als „Raserei“ und als Folge eines Ungleichgewichts der Körpersäfte. Für diese Diagnose konnten sie auf Beschreibungen des „Enthusiasmus“ als einer durch Tanz gekennzeichneten Sonderform der „Mania“ zurückgreifen. Wähernd die antike Philosophie Platon folgend im „Enthusiasmus“ die Einwohnung eines Gottes in den Menschen im Zustand der Trance sah, definierte die medizinische Tradition diesen schon seit dem 5. vorchristlichen Jahrhundert als Form des Wahnsinns mit körperlichen Ursachen. In der spätantiken und frühmittelalterlichen Literatur wurden die religiös-mythische und die naturphilosophisch-humoralpathologische Deutung kontrovers diskutiert, aber auch neu synthetisiert. Während die Theologen angesichts der Tanzereignisse mit der Besessenheit eine christliche Umformung des „Enthusiasmus“ evozierten, griffen die Ärzte auf ein naturphilosophisches Derivat der gleichen kosmologischen Konzeption zurück. In beiden Vorstellungen war die Doppeldeutigkeit von Trance und Wahnsinn bereits seit der Antike angelegt. Der Beitrag zeichnet diese Diskussion nach von der frühen griechischen über die spätantike Medizin und die Schule von Salerno (11. Jh.) bis zur humanistischen Medizin des 15. und 16. Jahrhunderts.

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(c) 2011 Johannes Birringer & Josephine Fenger, editors

Leipzig: Henschel Verlag, 2011.paperback,€ 24.90, ISBN-10: 3894877103

This book project is supported by

Gesellschaft für Tanzforschung (GTF)

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