Tanz und WahnSinn / Dance and ChoreoMania

 

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I. Enthusiasmus und Ekstase: Historische, kritische und theoretische Perspektiven zur Geschichte des Wahns im Tanz // Enthusiasm and Ecstasy: Historical, Critical and Theoretical Perceptions on the History of Mania in Dance

Katharina Stoye
Die „Tanzwut“-Bewegung von 1374. Individueller Tanzwahn, tanzepidemischer „flashmob“ oder performativer Höhepunkt einer emanzipativen Laienfrömmigkeit?

[german]

Die „Tanzwut“- Bewegung von 1374: Ein Phänomen auf der Grenze zwischen individuellem Tanzwahn, massensuggestiver Tanzepidemie und performativem Höhepunkt emanzipativer Laienfrömmigkeit


Die sog. ‚Tanzwut‘ war und ist als kulturhistorsiches Phänomen, als (Tanz-)Ereignis abseits der Norm, als psychisch-soziales Geschehen gewiss nicht einfach einzuordnen – weder anhand der zeitgenössischen Berichterstattungen, die uns beispielsweise aus dem späten Mittelalter und dem Beginn der Frühen Neuzeit für die Region des Niederrheins vorliegen, noch aus dem Blickwinkel heutiger Forschung. Und so variiert damals und heute ihre Klassifizierung: sei es als physische und/oder psychische Krankheit, sei es als moralisch-verwerfliches, gar dämonenhaftes Geschehen, sei es durch ihre Zuordnung zu zeitgenössischen „Heiltanz“-Ritualen oder ihre Interpretation als religiöse und/oder soziale Bewegung (letztere im Sinne eines Gegenentwurfes zur herrschenden gesellschaftlich-kirchlichen Verhaltensnorm gedeutet). Aber auch heutzutage gibt es immer wieder Tanzereignisse, die uns in Anklängen an dieses historische Phänomen erinnern mögen. Es lohnt sich daher, den aus dem 14.-17. Jahrhundert für die Region des Niederrheines überlieferten, jedoch aus unterschiedlicher Perspektive verfassten zeitgenössischen Quellen näher nachzugehen. Im Zentrum des Artikels steht eine vergleichend vorgenommene Quellentext-Analyse der chronikalen Notizen aus Xanten, Limburg und Köln zur „Tanzwut“ am Niederrhein bezogen auf das Jahr 1374. Der interdisziplinäre Blickwinkel bezieht sowohl die tanzwissenschaftliche als auch die kultur- und stadthistorische Perspektive mit ein, um jenes komplexe Phänomen der „Tanzwut“ in seiner tanzhistorischen, aber offenbar damit zugleich eng verwobenen psychischen, sozialen und kulturellen Dimension, Funktion und Ausdeutung „fallbezogen“ auf das Jahr 1374 auszuleuchten. Besonderes Interesse galt der Frage, ob sich bei der vergleichenden Quellenanalyse zu den Tanzereignissen von 1374 möglicherweise Zäsuren, Umbrüche oder sogar ein grundlegender Wandel im Hinblick auf die zeitgenössischen Deutungen wie auch im Hinblick auf vorfindbare Strategien, Sanktionen und gesellschaftliche Antworten auftun. Aufbauend und ergänzend zu den aus jener Textanalyse gewonnen Erkenntnissen werden zwei weitere Bildquellen vorgestellt und analysiert, die als Teil des kulturellen Bildgedächtnisses der Leserschaft weithin bekannt sein dürften, nun aber aus jenem spezifischen interdisziplinärem Blickwinkel neu angeschaut, „gelesen“ werden (siehe www.choreomania.org). Die hierbei angewendete interdisziplinäre Methodik ist Teil einer laufenden, durch die Universität Duisburg-Essen und die Paris Lodron Universität Salzburg betreuten tanzwissenschaftlich-(stadt)historischen Forschungsarbeit und konnte bereits auch für andere ikonographische „Tanz-Quellen“ jener Epoche fruchtbar gemacht werden.

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(c) 2011 Johannes Birringer & Josephine Fenger, editors

Leipzig: Henschel Verlag, 2011.paperback,€ 24.90, ISBN-10: 3894877103

This book project is supported by

Gesellschaft für Tanzforschung (GTF)

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